Kleine Anleitung zum Straßenbahn fahren

Veröffentlicht auf von Roadrunner

Straßenbahn fahren kann an sich ja eine recht angenehme Angelegenheit sein. Man steigt ein, setzt sich oder auch nicht und fährt einfach ohne sich groß konzentrieren zu müssen an sein Ziel. Das Leben könnte so einfach sein, würde sich nicht täglich zur Rush Hour das Bild schlagartig ändern. Von nun an ist vollste Aufmerksamkeit gefragt, der Körper sollte sich in ständiger Anspannung befinden und die Sinne müssen geschärft sein, um auf jede der vielen Gefahren reagieren zu können.
Möchte man mit der Straßenbahn fahren, so muss man diese erst einmal betreten. Doch diese durchaus verständliche Absicht kann zur Rush Hour schon zur unüberwindbaren Hürde werden. Wenn einem seine Rippen lieb sind, ist als erstes darauf zu achten, die übereifrigen Rentner vorzulassen, die in der ohnehin schon vollen Bahn auf Krampf noch einen Sitzplatz suchen. Diese Spezies Rentner nimmt weder Rücksicht auf die eigene, noch auf die Gesundheit anderer. Ohne entsprechende Schutzkleidung rate ich davon ab, mit diesen in Kontakt zu kommen. Hat man es geschafft, eine Bahn zu besteigen, warten schon die nächsten Gefahren. Die Rentner, welche sich eben noch fanatisch in den Kampf um die allerletzten Sitzplätze geworfen haben, werden während der Fahrt nicht wesentlich angenehmer. Noch immer teilen sie ganz gerne aus. Auch hier ist entsprechende Schutzkleidung zweckmäßig. Ist es gelungen, sich seine Nische zu suchen, kommen schon die allseits beliebten Fahrkartenkontrolleuere ins Spiel. Mit ihrem lauten "die Fahrtausweise, bitte" sind sie zwar schon oft aus der Ferne zu erkennen, doch kommt mit ihrem Auftauchen plötzlich Unruhe in die Bahn. Auf einen Schlag fangen alle Fahrgäste an panisch nach ihren Fahrkarten zu suchen. Plötzlich geschieht es, einer der eben noch so garstigen Rentner ist umgekippt. Nach einer 20 minütigen Pause und der notwendigen Erstversorgung durch den Notarzt geht es endlich weiter. An der nächsten Haltestelle steigt eine junge Frau mit Kinderwagen und Hasso, einem schätzungsweise 50 Kilogramm schweren Schäferhund, ein. Bewegt sich die Bahn weiter, kann es unter Umständen dazu kommen, dass Hasso wegen der Fülle der Bahn plötzlich laut zu bellen beginnt. Das wiederum bewegt alle Kinder unter 2 Jahren dazu, in den Chor einzustimmen. Für derartige Notfallsituationen sollte man immer ein Päckchen Oropax zur Hand haben. Sind alle diese Hürden überwunden, muss man sich mit vergleichsweise harmlosen Widrigkeiten wie Tritten gegen das Schienbein oder auf die Füße plagen. Doch der Höhepunkt der Fahrt steht noch bevor. Das Aussteigen zeigt den wahren Meister unter den Großstadtcowboys, wohlgemerkt an der Haltestelle, an der man vor hatte auszusteigen. Denn es hat sich erwiesen, dass es viel leichter ist, in eine Straßenbahn einzusteigen, als sie wieder zu verlassen. An gewünschtem Zielpunkt befinden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch viel mehr aggressive Rentner. Diese stürmen die Straßenbahn sobald sich deren Türen geöffnet haben. Hier ist Schnelligkeit Trumpf. Man muss es schaffen, aus der Bahn zu kommen, bevor man völlig von den entgegen strömenden Massen ausgebremst wird.
Hat man alle diese Gefahren gemeistert und ist erfolgreich am Ziel angekommen, steht einem erfolgreichen Tag nichts mehr im Weg. Es sei denn, man muss noch die Rückfahrt antreten.

Veröffentlicht in Alltag

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